Neben zahllosen öffentlichen Institutionen und Organisationen bekennen sich immer mehr Unternehmen zur inklusiven Anrede, zum Gendern. Genderzeichen im Schriftbild machen dies sichtbar. Wie aber können sie auch hörbar werden? Ist der Glottisschlag (die Sprechpause) die ideale Lösung? Oder eher ein Fremdlaut im Deutschen? Erfahren Sie, was es mit der Genderpause auf sich hat.
Wo Genderstern, Doppelpunkt, Schrägstrich & Co helfen
Mittlerweile geht es beim Gendern, der einschließenden Ansprache aller sozialen Geschlechter, nicht mehr nur um männlich und weiblich, sondern auch um divers. Offiziell korrekt sind Doppelnennungen, liebe „Leser und Leserinnen“, und mit Schräg- und Auslassungsstrichen verkürzte Paarformen. Natürlich schließen neutrale Umgehungsmöglichkeiten für „alle, die schreiben“ und vorlesen noch vollständiger ein. Sie lösen aber leider nicht jeden Zweifelsfall und verbindliche Regelwerke lassen noch im Stich. Daher ringen in der Schriftsprache verschiedene Kombinationen aus Zeichen und Wörtern weiter um die bevorzugte gendergerechte Lösung.
Für die Anrede mehrerer „Leser/innen“ unterschiedlichen oder auch einzelner (Leser_in) unbekannten Geschlechts werden die Genderzeichen immer geläufiger. Ob Asterisk, Binnen-I, Doppel- oder Mediopunkt, Unter- oder Schrägstrich: Sie alle sind derzeit nicht bloß als Teile einer verkürzten Paarform zu verstehen, wenngleich einige ihren Ursprung dort hatten. Vielmehr sollen diese eingefügten Zeichen zwischen (generischer) maskuliner Form und weiblicher Endung alle diversen Gender repräsentieren, Bindeglied einer Wortneubildung für alle Gender sein. Doch wie ist dieser Ausdruck inklusiver Berücksichtigung im Gespräch, in Reden und Ansprachen auszusprechen? Wie liest man „Leser*innen“ vor? Hier herrscht viel Unsicherheit bis Abwehr. Zu Unrecht, denn der oft zitierte Glottisschlag ist uns sehr wohl vertraut, nur eben andernorts.
Was genau ist der Glottisschlag und wo begegnet er uns?
In der Phonetik gilt jeder in der Kehle gebildete Laut als Glottal. Der Konsonant Glottisschlag entsteht, wenn Sie die Stimmritze (Glottis) schließen, schlagartig wieder öffnen und dabei die Luft strömen lassen. Das internationale Lautsymbol dafür ist: „ʔ“. Beim Husten oder Räuspern nutzen wir diesen stimmlosen glottalen Plosiv sehr ausgeprägt. Weniger bewusst allerdings sprechen wir den Knacklaut oder Glottisschlag ganz alltäglich.
Beispiele gefällig? Wenn Sie zum Sprechen ansetzen, so tun Sie das oft mit genau diesem Stimmritzenverschlusslaut. Beginnt ein Wort mit einem Vokal, ist der sogenannte feste Stimmeinsatz ein Muss. Ohne ihn wäre ein „Achtung!“ stets bloß hingehaucht. Mitten im Satz dann fungiert der Glottalstopp als Worttrenner (gesprochenes Leerzeichen), Wort- und Silbenfuge. Und hier kommen wir der ominösen Neubildung „Genderpause“ schon sehr nahe: Sprechen Sie doch einmal „verursachen“, „erinnern“, „beachten“, „vorenthalten“ oder „Späterleben“.
In all diesen Begriffen unterbrechen wir die gebundene Silbenreihung. Haben Sie beim letzten Wort etwas gezögert? Bei diesem Exempel wäre ein Hinweiszeichen sogar ganz hilfreich fürs Leseverständnis. Vielleicht ergibt „Später-leben“ im Kontext auch einen Sinn.
Hören Sie hier einige Beispiele.
Gendergap: Reine Gewohnheitsfrage oder doch Entscheidungssache?
Wenn der Knacklaut ganz natürlich angewandt wird, erzeugt er keine störende künstliche Pause. Zugegeben, nicht jeder artikuliert die eher harte, trockene Kurzunterbrechung klar und deutlich vernehmbar. Vielleicht fällt daher die ungewohnte Position als gesprochener Gendergap manchen Menschen schwerer als anderen, stört mal mehr, mal weniger. Wenn es aber darauf ankommt, legen auch sie Wert auf hörbare Unterscheidbarkeit zwischen „verreisen“ und „vereisen“, zwischen „überreichen“ und „über Eichen“. Die anfängliche Irritation beim Sprechen und Hören von „Leser:innen“ gibt sich schnell durch Gewöhnung, aktiv gendernde Sprecher_innen machen es schon länger vor. Wenn das Gendern individuell von Bedeutung ist, kann der Glottisschlag dies zum Ausdruck bringen.
Hören Sie hier einige Beispiele.
Es wäre schön, wenn unsere schöne Sprache bliebe, wie sie ist? Wir Menschen befanden uns allerdings schon immer mitten im Sprachwandel. Letztlich ist erlaubt, was gefällt und dem Zweck am besten dient. Auch in diesem speziellen Genderprozess entscheiden Sie als Person, Unternehmen oder Organisation selbst. Sie gestalten aktiv mit oder folgen einfach hinterdrein – spätestens wenn auch Duden und Rechtschreibrat folgen. Lernen Sie gern mehr bei uns über gutes Texten.