Der kryptische Endlos-Text „Lorem ipsum dolor …“ ist auch vielen Nicht-Profis schon des Öfteren begegnet. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Blindtext. Diese Bezeichnung trifft den Kern recht gut: Es ist ein Text ohne Inhalt und Sinn. Solche Aneinanderreihungen von Buchstaben, Leer- und Satzzeichen in Form von Blindtext fungieren als bloßer Stellvertreter für Inhalte. Er soll allein grafischen Zwecken dienen und vor allem eines: vom Äußeren nicht mit Inhalt ablenken. Was es mit diesem allgegenwärtigen Tool im Werkzeugkasten der Web- und Print-Gestalter auf sich hat, soll hier ein wenig beleuchtet werden.
Was ist so nützlich an sinnbefreiten Blindtexten?
Grafiker, Designer und Gestalter greifen auf diese Platzhalter gern zurück, um unabhängig vom Content zu kreieren oder schlicht dann, wenn der Text(er) noch nicht fertig ist.
Sie helfen beim Planen des Satzspiegels: beim Austarieren der Proportionen im jeweiligen Format, beim Vorformatieren und Gliedern des endgültigen Textes in Überschriften, Abschnitte und Textblöcke, beim Platzieren von weiteren Elementen und nicht zuletzt bei der Auswahl einer passenden Schriftart, -farbe und -größe. Erst alles zusammen ergibt ein stimmiges Gesamtbild, das Layout. Selbst dem Texter kann Blindtext eine Hilfe bei der Erstellung maßgeschneiderter Textbausteine sein, wenn er gestalterische und konzeptionelle Vorgaben wie die Zeichen- und Absatzanzahl berücksichtigen soll. Mit Hilfe von Blindtext lässt sich der grafische Entwurf bereits realitätsnah beurteilen, eventuell schon ein Prototyp beim Auftraggeber vorlegen. Vorausgesetzt, der gewählte Blindtext bildet das Erscheinungsbild der Schriftsprache möglichst gut ab. Denn die lateinischen Buchstaben sind in den verschiedenen Sprachen sehr unterschiedlich verteilt. Im Deutschen werden beispielsweise außer Satzanfängen auch die Nomen großgeschrieben, gelegentlich tauchen Umlaute und Eszett „ß“ auf. Andere Sprachen haben wiederum auch ihre speziellen Eigenheiten. So entsteht ein sprachenspezifisches Zeichenmuster, das ein optimaler Blindtext auch abbilden sollte. Dies kann durchaus relevant sein – muss es aber nicht zwangsläufig, je nach Text-Grafik-Verhältnis.
Lorem ipsum – der Standard mit antiken Wurzeln
Dieser wohl bekannteste und international noch immer am weitesten verbreitete Blindtext hat seinen Namen den beiden ersten „Wörtern“ zu verdanken. Wörter in Anführungszeichen, weil zumindest das erste kein echtes Wort ist. Leser mit Latinum vermuten sofort einen lateinischen Text dahinter und liegen damit fast richtig. Der Beginn „Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipisci elit, …“ ist eine etwas fragmentierte Kopie aus einem philosophischen Text Ciceros über die Theorie der Ethik: „… neque porro quisquam est, qui dolorem ipsum, quia dolor sit, amet, consectetur, adipisci velit, sed quia …“ Was übersetzt bedeutet: … ferner gibt es auch niemanden, der den Schmerz um seiner selbst willen liebt, der ihn sucht und haben will, einfach, weil es Schmerz ist … Der Legende nach soll schon im 16. Jahrhundert ein bekannter Buchdrucker die tiefgründige Passage als Fülltext aus dem Setzkasten genutzt haben. Falls dies stimmt, legte er damit den Grundstein für eine wahrhaft nachhaltige Erfolgsgeschichte. Zu seinen Lebzeiten war die zugrunde liegende Abhandlung Ciceros sogar auch inhaltlich sehr beliebt.
Die Herkunft der nachfolgenden Elemente dieses Text-Imitats ist bisher noch nicht endgültig verifiziert worden.
Moderne, kreative Varianten für jeden Geschmack
Der Lorem-ipsum-Blindtext existiert heute in mehreren Abwandlungen und wird selbstverständlich nicht mehr gesetzt sondern in Sekundenbruchteilen einkopiert. Viele Textprogramme liefern mittlerweile eine der Versionen als Autotextfunktion, so auch MS Word. Lorem ipsum ist als Abbild des Lateinischen streng genommen nicht der perfekte Lückenfüller für deutsche Texte. Wer ohnehin ein wenig Abwechslung mag und das Risiko der Ablenkung vom Layout nicht scheut, kann auf eine Vielzahl von Alternativen zugreifen. Zum Arbeiten taugen sie allemal.
Sogenannte Blindtextgenerationen gibt es im Web zuhauf. Hier eine kleine Auswahl:
loremipsum.de
mit allen Abwandlungen, in jeder Spaltenbreite und Länge.
blindtextgenerator.de
ist eine kleine bunte Sammlung aus Blindtexten. Darunter (deutsche) Klassiker, berühmte Reden (Trappatoni), humorige, fantasievolle und sogar informative Texte oder einfach nur funktionale Satz- und Zeichenfolgen. Alle sind auf Wunschmaß skalierbar.
newmediadesigner.de
bietet eine umfangreiche Zusammenstellung von Blindtexten – auch fremdsprachliche – sowie einen Generator mit Vorwahlmöglichkeit der Zeichenzahl. Als Beispiel der Text „Blind von Geburt an“ im Anriss: „Ich bin Blindtext. Von Geburt an. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein: Man macht keinen Sinn …“
Übrigens suchen einige Generatoren-Anbieter nach weiteren Vorlagen, wer also selbst kreativ werden möchte, kann sich dort verewigen.
bavaria-ipsum.de
liefert zwei zutiefst bairische Schmankerln. Wahlweise „Schmarrn“ mit stufenlos von null auf hundert Prozent einstellbarem Lorem-ipsum-Anteil oder deftiges „Grantln“. Außerdem sind Textlänge und Absatzanzahl einstellbar.
Viele andere, meist englischsprachige Blindtexte, „befassen“ sich mit Trends (hipsum.co: Hipster), Vorlieben (cupcakeipsum.com: Süßigkeiten) oder anderen „Themen“, sind aber hierzulande eher spaßeshalber geeignet.
Lorem ipsum – Blindtext, der universelle Joker
Blindtexte sind unverzichtbare Helfer für jeden Web-Designer und Gestalter von Print-Medien, denn sie machen ihn unabhängig vom eigentlichen Inhalt in Form von Text. Ein guter Blindtext liefert als duldsamer Platzhalter alle Möglichkeiten, das Layout zu optimieren. Der pseudolateinische Klassiker und Urvater der Blindtexte, Lorem ipsum, ist ein wahrer Evergreen und könnte es durchaus bleiben. Für Abwechslung sorgen Blindtext-Generatoren im Netz mit vielen kreativen Vorlagen.
Wenn Sie eines unserer Seminare zum Thema Grafik und Gestaltung besuchen, wird Ihnen mit Sicherheit ein „blinder Text“ begegnen.